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Soundtrack: Eiskalte Engel

Plattenlabel : Virgin Records America Genre : Soundtrack
Spieldauer : 60:16 min Preis : ca. 30 DM

Seitdem die Musikindustrie vor etwa einem Jahr in eine ihrer schwersten kommerziellen und, was jedoch von den wenigsten Plattenfirmen eingestanden wird, auch künstlerischen Krisen geschlittert ist, sind die Musikmanager in Up-, Down- und Motown auf der Suche nach Wegen aus selbiger. Damit die Rettung aus eigener Kraft funktionieren kann, hat man insbesondere seit dem doppelten Megaerfolg von "Titanic" (und der zugehörigen Filmmusik von James Horner (vgl. Rezension in "AmigaGadget"#35)) die Soundtracks zu Kinofilmen als profitbringende Zweitverwertungsmöglichkeiten entdeckt. Und wie so oft stand auch hier mangelnde Qualität beachtlichen Verkaufszahlen selten im Wege, so dass sich der Musikfreund schon bald unzähligen mittelmäßigen bis armseligen Produktionen gegenüber sah. Diese enthielten irgendwelche vor zumeist schon längerer Zeit einmal angesagten Stücke, von welchen im Film, wenn überhaupt, nur ein paar Akkorde zu hören waren. Der Verdacht lag nahe, dass auch der Soundtrack zu Roger Kumbles "Eiskalte Engel" keine Ausnahme machen würde, da sich der Regisseur ja bereits bei der Auswahl seines Filmstoffes auf die Wiederverwertung alten Materials beschränkt hatte. Doch da die Neuverfilmung der "Gefährlichen Liebschaften" die Geschichte um Verführungskünste, Eitelkeiten und (Selbst)Liebe ohnehin als Pop-Variante des klassischen Romanstoffes gedacht war, ließ Kumble die wohlgeformten, schniek gekleideten jugendlichen Hauptdarsteller zu fetzigen Tönen vor urbanen Kulissen ihre Ränke schmieden. So war die Musik integraler Bestandteil des Filmes gewesen und wenigstens insoweit keine Mogelpackung zu befürchten. Dass der "Eiskalte Engel"-Soundtrack eiskalt himmlische Höhen der Charts erklimmen konnte, ließ jedoch nichts Gutes ahnen. Zu Unrecht.

Denn mit dem "Single Mix" von "Placebo"s "Every You Every Me" geht es auf der CD gleich frisch, unfromm, fies und frei los. Packende Gitarrenriffs und ein gemeiner, aber doch nicht plumper Text sorgen beim berufszynischen Mittzwanziger an der Schwelle zum einundzwanzigsten Jahrhundert gleich für gute Laune. Aber auch "Praise You" von "Fatboy Slim", das im "Radio Edit" als zweites Stück folgt und mit Hilfe modernster Technik auf die Klangqualität einer ein paar Mal zu oft abgespielten LP heruntertransformiert wurde, frisst sich in den Gehörgang und verweilt dort für längere Zeit. Und so geht es munter weiter - unter den insgesamt vierzehn Titeln, von denen keiner älter als die vor vier Jahren erschienene Ballade "You Could Make A Killing" von Aimee Mann ist, findet sich kein einziger Ausfall, keine einzige schlechte Nummer. Interessanterweise wirkt ausgerechnet der Beitrag der wohl prominentesten Mitwirkenden, "Coffee & TV" von "Blur", den ehemaligen Mitschöpfern der Brit-Pop-Welle der Neunziger, noch am leblosesten und uninteressantesten. Die ebenfalls durch rege MTV-Präsenz nachgewiesenermaßen prominenten Retrorocker von den "Counting Crows" und die gleichermaßen zu öffentlicher Bekanntheit gelangte Formation "Skunk Anansie" leiden zwar regelmäßig nicht unbeachtlich unter hohem Nervenzersetzungspotential. "Colorblind" und "Secretly" bilden da jedoch erfreuliche Ausnahmen, wenngleich auch diesen beiden Stücken, die den Weg auf den Soundtrack gefunden haben, gelegentlich ein Stück zu nah am allzu harmlosen Wasser des Mainstreams komponiert sind.

Aber die wahren Knüller sind ohnehin die eher unbekannten Stücke. So besitzt zum Beispiel, von den beiden eingangs erwähnten Titeln einmal abgesehen, die Sprechgesang-Nummer "Bedroom Dancing" der Band "Day One", die von dieser überdies mit dem frechen Zusatz "First Recording" versehen wurde, extremen Ohrwurmcharakter. Und auch "Comin' Up From Behind" von "Marcy Playground" oder den mit dem reizvollen Gegensatz von unterkühltem (Sprech)Gesang und knarrenden E-Gitarren spielenden "Faithless"-Titel "Addictive" wird man so schnell nicht aus dem Gehörgang heraus bekommen. Sogar regelrecht mitklatschen möchte (oder kann) man dann bei dem "Straigh-In-Your-Face"-Rocker "You Blew Me Off" von "Bare Jr.". Weniger treibend und lebhaft, dabei jedoch nicht weniger eindringlich und hörenswert ist das längste Stück der CD, das in wunderbaren Moll-Tönen sehnsüchtig klagende "This Love" von Craig Armstrong und Elizabeth Fraser, das musikalisch von dem reizvollen Kontrast zwischen langsamen Hip-Hop-Beats aus dem Drumcomputer und (vermutlich ebenfalls synthetisch erzeugten, aber dennoch sehr überzeugend schmachtenden) Streicherakkorden untermalt wird. Krönender Höhepunkt eines exzellenten Soundtracks ist dann aber doch wieder ein Song, der auch schon beachtlichen kommerziellen Erfolg hatte und von niemand geringerem komponiert wurde als von den "Rolling Stones" Mick Jagger und Keith Richards. Doch wie schon im Film selbst so verzaubert die pathetisch-schwermütige "Bitter Sweet Symphony" von "The Verve" auch auf dieser CD aufs vorzüglichste und rührt das Herz selbst des kältesten Engels.

Die Aufmachung der CD entspricht dem im Genre Üblichen. Auf dem Cover sind wie auf dem Filmplakat die drei Hauptdarsteller zu sehen, und auch das Booklet geizt nicht mit - allerdings recht kleinen - Fotos von Sarah Michelle Gellar, Ryan Phillippe und Reese Witherspoon, welche, der Eindruck von der Leinwand hat wohl doch nicht getrogen, in der Tat recht gut im Futter steht. Zu den einzelnen Titeln finden sich im zwölfseitigen Booklet, auch das absolut gängig, nur die "diskographischen" Angaben, auf den Abdruck der Songtexte wurde (bedauerlicherweise) verzichtet. Trotz dieses leider üblichen Schönheitsfehlers ist Virgin Records mit dem Soundtrack zu "Cruel Intentions", wie der amerikanische Originaltitel der "Eiskalten Engel" lautet, eine mitnichten grausame Zusammenstellung, sondern eine ganz und gar exzellente CD gelungen, die einem der besten Filme des Kinojahres 1999 (wenn nicht sogar dem besten) erfreulicherweise gerecht wird und auch denjenigen ans (hoffentlich nicht allzu kalte) Herz gelegt werden kann, die im Sommer den Weg ins Kino nicht gefunden haben.

(c) 1999 by Andreas Neumann

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