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Test : GIMP 1.0.4

Name : GIMP Version : 1.0.4
Vertriebsform : GNU GPL Genre : Bildbearbeitung
Fundort : Geek Gadgets Programmierer : S. Kimball, P. Mattis et al.

Ursprünglich war der Amiga für seine außerordentlichen Grafikfähigkeiten bekannt. Da er Bilder mit bis zu 4096 Farben zu einer Zeit auf den Bildschirm zaubern konnte, in der andere Rechnersyteme mit schnöden zweifarbigen Textschirmen gleichgesetzt wurden, galt er recht bald als in seiner Preisklasse einzigartige Plattform für aufwendige Grafikanwendungen. Doch die Konkurrenz schlief nicht und so ist der Amiga heute in Punkto Grafik seiner Zeit weit hinterher. Von Werk ab höchstens mit dem AGA-Chipset ausgestattet, genügen seine Grafikfähigkeiten noch nicht einmal mehr den Ansprüchen von Hobbyanwendern. Und selbst mit der Hilfe teuerer Grafikkarten von Drittherstellern leidet der Amiga unter hardwarebedingten Limitationen, bleibt weit hinter dem zurück, was ein preiswerter Mainstream-Wintel-PC von Hause aus zu leisten imstande ist. Leider gesellte sich zu der hardwareseitigen Agonie auch ein weitgehender Stillstand, was Grafiksoftware angeht. Zwar gibt es mit Cloantos "Personal Paint" für die altbekannte Bitmap-Technologie aus OCS/ECS/AGA-Zeiten noch zumindest ein hervorragendes Malprogramm. Und auch im Raytracing-/ Rendering-Bereich gibt es akzeptabele Lösungen. Wenn es jedoch um die Bearbeitung von Grafiken in 24-Bit-Farbtiefe geht, bietet der kommerzielle Sektor jedenfalls im Moment nur suboptimale Lösungen wie "ArtEffect" aus dem Hause Haage & Partner. Selbst semiprofessionelle Grafikbearbeitung scheidet damit am Amiga praktisch aus. Rettung naht nun ausgerechnet aus dem Bereich der frei kopierbaren Software. Linux- und Unix-Kenner kennen das Programm bereits, welches sich im Laufe des letzten Jahres viel Anerkennung unter den Nutzern dieser Betriebssysteme verdiente. Das "GNU Image Manipulation Program" (kurz: "GIMP") kombinierte in seiner Version 1.0 eine komfortable Benutzeroberfläche mit einer gewaltigen Funktionenvielfalt und beeindruckender Leistungsfähigkeit. Eine Amiga-Portierung war deswegen in akzeptabler Zeit und mit für freie Software hinnehmbaren Aufwand nur möglich, da es sich bei "GIMP" um eine X11-Applikation handelt. Mit der jüngst von Kriton Kyrimis vorgestellten Umsetzung der "GIMP"-Version 1.0.4 steht auch Amiga-Anwendern das derzeit aktuelle stabile Compilat ("stable version") dieser Bildbearbeitungssoftware zur Verfügung.

Vor die Anwendung hat der Herr jedoch den Download gesetzt. Denn das Amiga-"GIMP" gibt es (derzeit) nur auf den FTP-Servern des "Geek Gadget"-Projektes. Damit aber nicht genug. Das Programm-Archiv "gimp-1.0.4-040-bin.tar.gz" hat die stolze Größe von 31 MByte. Wer da keinen den Transport solcher Datenmengen auf den Amiga ermöglichenden Zugang zu einer Internet-Standleitung aufweisen kann, dürfte ganz schnell weg vom Fenster sein. Das gilt im übrigen auch für User mit etwas kleineren Amiga-Systemen. Denn "GIMP" benötigt, wenn es denn einmal erfolgreich heruntergeladen und installiert ist, mindestens einen 040er Prozessor mitsamt FPU und 18 MByte RAM. Letzteres beinhaltet allerdings bereits auch den Speicherverbrauch durch den natürlich ebenfalls erforderlichen X11-Server. Ein solcher muss folglich bereits auf dem System installiert sein, um "GIMP" nutzen zu können. (Wie man das X-Window-System des "Geek Gadgets"-Projektes einrichtet, ist im "Grundlagen"-Teil dieser Ausgabe beschrieben.) Nachdem man das "GIMP"-Archiv entpackt und den X-Server (sowie sinnvollerweise einen Window-Manager) gestartet hat, kann man nun "GIMP" einfach über die Eingabe des Programmnamens aufrufen. "GIMP" selbst benötigt keinen laufenden TCP/IP-Stack, so dass man den X-Server auch einfach mit der "partial network"-Option betreiben kann. Erforderlich ist aber wohl eine mit einer CyberGraphX-kompatiblen Treibersoftware betriebene Grafikkarte. Auf dem Testrechner war "GIMP" jedenfalls nicht dazu zu bewegen, auf einem AGA-Bildschirm zu funktionieren. Stolze Besitzer eines CyberGraphX- oder Picasso'96-Systems werden hingegen nach dem Programmstart ein Fenster auf dem X-Bildschirm zu sehen bekommen, das einem erneut die Möglichkeit zur Installation gibt. Allerdings kann man an dieser Stelle auch ruhig die Alternative "Ignore" wählen - dann wird "GIMP" ohne vorherige benutzergerechte Installation gestartet. Neben einem "Tip des Tages" öffnet sich nach einer selbst auf schnellen Amiga-Systemen sehr langen Initialisierungsphase, in der "GIMP" u.a. die Plug-Ins einlädt, die "Toolbox".

Wer schon einmal mit einem Mal- oder Bildbearbeitungsprogramm gearbeitet hat, wird sich auch bei "GIMP" unmittelbar zurechtfinden. Die "Toolbox" enthält alle wichtigen Grafik-Werkzeuge, mit denen die jeweils aktive Grafik bearbeitet werden kann. Neben diversen Selektionswerkzeugen gibt es da natürlich auch zahlreiche Malwerkzeuge, sowie weitere "Tools", mit denen sich beispielsweise Text in die Grafik einfügen, die Grafik in einem Zoom-Verhältnis zwischen 16:1 und 1:16 darstellen oder sogar Teile der Grafik ausscheiden lassen. Die Grafiken selbst werden dabei in jeweils eigenen Fenstern dargestellt, wobei deren Zahl und Größe nur durch den zur Verfügung stehenden Speicher begrenzt wird. Betätigt man innerhalb eines Grafiken-Fensters die linke Maustaste, wird das gerade aktive Werkzeug angewendet. Betätigt man hingegen die rechte Maustaste, so öffnet sich ein umfangreiches Pull-Down-Menü, das Funktionen enthält, die Auswirkungen gerade auf diese Grafik haben. Darüber hinaus verfügt aber auch die "Toolbox" über ein Pull-Down-Menü, welches global gültige Funktionen zur Verfügung stellt. Da die "GIMP"-GUI auf dem komfortablen GTK-Set aufbaut, fällt übrigens nicht nur die Orientierung, sondern darüber hinaus auch die Bedienung des Programmes erfreulich leicht. Bis auf einige kleinere Abweichungen reagiert die GUI auf Benutzereingaben ähnlich wie unter AmigaOS.

Die Bildbearbeitung selbst basiert bei "GIMP", anders als bei Bitmap-Malprogrammen wie "Deluxe Paint" oder "Personal Paint", auf sogenannten "Ebenen" ("Layers"). Bei diesem von Adobes "PhotoShop" her bekannten Prinzip besteht ein Bild aus verschiedenen, übereinander liegenden Ebenen, und entsteht dadurch, dass der Betrachter quasi durch diese Ebenen hindurchblickt und somit beispielsweise von unteren Ebenen nur das sieht, was höher liegende durchscheinen lassen. Das klingt kompliziert und ist auch alles andere als trivial. Allerdings lassen sich viele Fähigkeiten von "GIMP" auch ohne vertieftes Verständnis des Ebenen-Systems effektiv nutzen. Für fortgeschrittene Anwender stellt "GIMP" aber natürlich darüber hinaus auch "Kanäle" ("Channels") zur Verfügung, mit deren Hilfe die Farbverteilung eines Bildes effizient beeinflußt werden kann. Dass Standard-Funktionen, wie mehrstufiges Undo, ebenfalls vorhanden sind, bedarf wohl keiner gesonderten Erwähnung. Der eigentliche Clou steckt jedoch woanders. Zwar sind "Plug-Ins", mit deren Hilfe die Funktionalität eines Programmes nachträglich erweitert werden kann, nichts Neues. "GIMP" verfügt jedoch bereits von Hause aus über eine beachtliche Anzahl dieser Module, mit denen die gerade bearbeitete Grafik manipuliert, gespeichert oder auch eine noch zu bearbeitende Grafik überhaupt erst geladen werden kann. Mit über fünf Dutzend Filter-Effekten kann man einem Bild zu Leibe rücken und dabei fast immer auch zahlreiche Parameter nach Belieben variieren (z.B. Größe und Form der Steine eines aus der Grafik zu errechnenden Mosaikes). Doch damit noch lange nicht genug. "GIMP" verfügt inzwischen auch über eine eigene Skriptsprache namens "Script-Fu". Zwar gibt auch diese dem Anwender weitere Manipulationsmöglichkeiten für vorhandene Grafiken an die Hand, wortunter sich so nützliche Helfer befinden wie das unter Script-Fu=>Decor=>Fuzzy-Border abrufbare Skript, welches Grafiken mit einem zu einer frei wählbaren Farbe hin verlaufenden Rand versieht. Darüber hinaus ist es mit Hilfe von "Script-Fu" aber auch möglich, Grafiken komplett neu zu erschaffen. Über das Xtns (für "Extensions")-Menü der "Toolbox" kann man bereits auf ein sehr ansehnliches Instrumentarium zurückgreifen, mit dem es beispielsweise möglich ist, Überschriften mit beeindruckenden grafischen Effekten oder fantasievolle Hintergrundmuster automatisch generieren zu lassen. Dabei muss man jedoch darauf achten, dass in den Voreinstellungsfenstern auch ein tatsächlich vorhandener Zeichensatz vorgegeben wird, will man nicht mit einer profanen Fehlermeldung abgespeist werden.

Und damit sind auch schon die Schwächen von "GIMP", bzw. der Nutzung von "GIMP" auf dem Amiga angesprochen. Denn man merkt deutlich, dass das Programm für eine hochgezüchtete Linux-Umgebung geschrieben wurde. Selbst auf einem 060er-System mit Grafikkarte gestaltet sich die Arbeit des öfteren eher zäh, benötigen Skripten und Plug-In-Effekte viele Sekunden, gelegentlich sogar Minuten. Am deutlichsten wird das Ausreizen der vorhandenen Technik, wenn man sich anschickt, den Speicher gnandenlos zu verbrauchen. Denn dann erscheinen Fehlermeldungen über die Speicherknappheit, denen sofort weitere Meldungen folgen, dass für die Ausgabe der vorherigen Fehlermeldung kaum mehr Speicherplatz zur Verfügung steht. In diesen Extremfällen sieht man sich dann schnell mit einem Bildschirm voller Fehlermeldungen konfrontiert, so dass sprichtwörtlich der Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkannt werden kann. Ebenfalls unschön und zudem weitaus praxisrelevanter ist es, dass man bei Verwendung eines entsprechenden Window-Managers (wie z.B. dem Standardprogramm "twm") Fenster per Mausklick auch dann auf dem Bildschirm plazieren muss, wenn sie nichts anderes als eine Fortschrittsanzeige enthalten. Macht man das nicht, wird die zu dieser Anzeige gehörende Berechnung nicht ausgeführt. Unter Umständen sehr lästig kann auch eine andere Beschränkung werden. "GIMP" unterstützt leider keinen mehrzeiligen Text, so dass man einen solchen erst mühsam durch mehrmalige Anwendung des Text-Werkzeuges erzeugen muss. Für Nutzer von Bitmap-Malprogramm ungewohnt ist schließlich vielleicht noch die Tatsache, dass "GIMP" streng zwischen RGB- und Indexed-Grafiken unterscheidet. Bei letztgenannten handelt es sich um Bilder, die wie eben auch Bitmap-Grafiken über eine festgelegte Farbpalette verfügen. Möchte man Grafiken in einem Format abspeichern, das diesem Prinzip folgt (wie es etwa beim beliebten GIF-Format der Fall ist), so muss man vorher sicherstellen, dass eine Palette vorhanden ist, oder sie, falls dem nicht so sein sollte, über den Menüpunkt Image->Indexed generieren lassen. Bei der Bearbeitung von Indexed-Grafken wiederum erzielt man wegen der festgelegten Palette des öfteren unbefriedigende Ergebnisse, so dass sie sinnvollerweise über Image->RGB in RGB-Grafiken zu konvertieren sind. Hat man sich diese Zusammenhänge aber einmal vor Augen geführt, ergibt sich die korrekte Vorgehensweise hier im Prinzip von selbst. Darüber hinaus sollte man, während man eine Grafik bearbeitet, diese ohnehin ausschließlich im "GIMP"-eigenen XCF-Format abspeichern, da nur dieses auch etwaige Kanäle und Ebenen korrekt festhält.

Trotz der kleineren Schwächen ist "GIMP", wenn man sich erst einmal mit dem Programm vertraut gemacht hat, ein äußerst mächtiges Werkzeug, das den großen Teil der kommerziellen Alternativen auf dem Amiga sehr alt aussehen läßt. Doch selbst als "GIMP"-Neuling kann man schon sehr schnell viele ansprechende Effekte erzielen. Interessanterweise benötigte man für vergleichbare Ergebnisse auf dem Amiga bislang oftmals eine gesonderte Softwarelösung. So stehen bei "GIMP" über das Menü Filters->Distorts->IWarp Verformungs- und Verquirlungsfunktionen im Stile von "Kai's Power-Goo" zur Verfügung, die man als Amiga-Anwender bis dato nur von dem Vollpreisprogramm "Elastic Dreams/Fantasies" geboten bekam. Aber auch aufwendige Beleuchtungseffekte und ähnliches aus dem Repertoire diverser auf WWW-Design spezialisierter Grafikprogramme lassen sich mit "GIMP" erzielen. Wer einen schnellen und mit Grafikkarte und ausreichend Systemspeicher ausgestatteten Amiga sein eigen nennt und ein wenig Geduld mitbringt, sollte sich "GIMP" unbedingt besorgen. Dieses Programm setzt trotz der kleineren Schwächen Maßstäbe, an denen sich bestehende und künftige Amiga-spezifische Lösungen messen lassen müssen. Als Amiga-User hat man bei der Verwendung von "GIMP" allerdings noch auf eine kleine Besonderheit zu achten. Die GNU-Grafiksoftware beherrscht das auf dem Amiga weit verbreitete IFF-ILBM-Grafikformat von Hause aus nicht. Glücklicherweise existiert jedoch ein ILBM-PlugIn von Johnny Teveßen, das man als 51 KByte große Datei "gimpilbm-0.8.8.tar.gz" auch auf den "Geek Gadget"-FTP-Servern findet und einfach ins lokale "Geek Gadgets"-Verzeichnis ("GG:") entpacken muss, um "GIMP" auch noch um diese Funktion zu erweitern.

(c) 1999 by Andreas Neumann

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