phonetic

Interview mit Markus Illenseer

Schon bald nach seiner Markteinführung war der Amiga, ursprünglich ja sogar als reines Videospiel geplant, als unseriöse "Daddelmaschine", mehr Heim- als Personal Computer verschrieen. Dass er in der Lage sein würde, professionelle Betriebssysteme, wie sie auch auf Serversystemen zum Einsatz kommen, laufen zu lassen, hätte sich wohl kein Spötter träumen lassen. Markus Illenseer, Amiga-User seit 1987, gehörte zu den ersten, die den Beweis erbrachten: Als Markus Wild 1993 erstmalig das Unix-ähnliche Betriebssystem NetBSD auf den Amiga portierte, war sein zu dieser Zeit Informatik studierender Namensvetter dabei - u.a. als NetBSD-Referenz für den A2000. Aber auch an anderen uneigennützigen Amiga-Projekten war Markus Illenseer beteiligt. Zu nennen wäre hier wohl in jedem Fall die Tätigkeit als Administrator für die "Meeting Pearls"-CD-ROMs, für die er auch das komfortable Suchprogramm "FindPearls" entwickelte. Aber sein persönlicher Weg führte weg vom AmigaOS und hin zu NetBSD. Mit der Doppel-CD-ROM "Gateway! Volume 3", die NetBSD-Installationen gleich für zahlreiche Systemplattformen enthält, stellte er unlängst eine exzellente und auch insbesondere an Amiga-Anwender gerichtete Distribution dieses Betriebssystems zusammen (vgl. Rezension in "AmigaGadget"#37), die sich auch noch über ein Vierteljahr nach ihrer Veröffentlichung in den Verkaufscharts von GTI behauptet (Platz 10 im Oktober). "AmigaGadget"-Lesern ist Markus Illenseer übrigens von diversen Usenet-Texten bekannt, die in der Vergangenheit mit seiner freundlichen Genehmigung auch im "Gadget" erschienen sind.


AG: Unmittelbar nach ihrem Erscheinen ist die von Dir zusammengestellte NetBSD-CD-ROM "Gateway! Volume 3" ganz oben in die Verkaufscharts des Distributors GTI eingestiegen. Steht dem Amiga nun eine NetBSD-Epidemie ins Haus, wird sich das Betriebssystem jetzt auf diesem Rechner etablieren können ?
MI: Ganz ehrliche Antwort? Ich wußte nicht einmal, daß die überhaupt dort geführt wird, und so weit oben. Einer Epidemie seht nichts im Wege, nur müßte ich dann wohl einen kommerziellen Status aufbauen, den ich nicht gewillt bin, einzugehen. Das würde einige andere Dinge nach sich ziehen, die sich für einen echten NetBSD'ler nicht zwingend automatisch ergeben, aber erforderlich wären.
AG: Die "Gateway! Volume 3" unterstützt ja auch zahlreiche andere Plattformen. Läßt sich abschätzen, wie die CD-ROM von Nutzern anderer Rechner akzeptiert wird ? Oder stammen die Käufer weitgehend aus der Amiga-Welt ?
MI: Das Feedback welches die Schatztruhe - der Hersteller und Distributor - und ich erhalten haben, ergibt ein ungefähres Potential von 60% Amiga-Benutzern und 30% IBM-kompatibler Rechner-Nutzer. Es gibt eine - nicht sonderlich überraschende Anzahl - von Überschneidungen: NetBSD ist prädestiniert für den homogenen Einsatz in einer heterogenen Umgebung. Eine genaue Statistik der Fragen und Feedbacks führe ich nicht, die Fragen kamen zumeist von Anfängen mit typischen Schwierigkeiten. Ich gehe davon aus, dass jemand der ein exotisches System wie eine VAX oder HP300 benutzt, ein anderes Vorwissen hat als jemand, der einen PC, Amiga oder MAC im Einsatz hat - ganz durchwachsen das Feedback bei den aktuellen Randgruppen Alpha und PowerPC.
AG: In welchem Verwandtschaftsverhältnis steht Monika Illenseer, die das Cover der CD-ROM gestaltete, zu Dir ? Hat sie, wie Du, auf jegliche Entlohnung verzichtet ?
MI: Meine Schwester - verheiratet - ist professionelle Grafikdesignerin und hat schon einige Projekte gemeinsam mit mir durchgezogen. Es ist eine nette Abwechslung für sie, eine CD zu gestalten, hat sie immerhin beruflich das Generaldesign für AUDI, Skoda und Postbank gestaltet. Für sie ist es ein ambitioniertes Taschengeld, welches die Schatztruhe ihr gibt - das Design hätte so oder so gemacht und gezahlt werden müssen. Wegen der Kontinuität - man vergleiche die Volume 1 bis 3 - habe ich sie gefragt. Es liegt mir fern, jemanden der vermutlich nie mit NetBSD oder anderen Open Source Projekten in Berührung kommen wird, und auch meine Beweggründe nicht verstehen wird, um seinen Lohn zu betrügen.
AG: Der empfohlene Verkaufspreis der "Gateway! Volume 3"-CD-ROM ist verblüffend niedrig. Die Linux-Konkurrenz von eagle und Sørensen ist dreimal, bzw. doppelt so teuer - und das, obwohl sie im Gegensatz zur Doppel-CD-ROM der "Gateway! Volume 3" nur je eine Silberscheibe bietet. Konnte dieser sensationelle Preis wirklich allein dadurch erreicht werden, dass Du auf jedes Honorar verzichtet hast ? War es schwer, die Schatztruhe und GTI zu einem solchen Projekt mit aufgrund des Preises vermutlich nur sehr geringer Gewinnspanne zu überreden ?
MI: Es ist schon immer eine meiner Bemühung gewesen, aufzuzeigen, dass eine gute CD nicht teuer sein muß. Der geneigte Leser errinert sich vielleicht an hitzige Diskussionen im Usenet so Anno 1992, als die ersten Aminet-CD-ROMs von U.D. Müller zu einem - meiner Meinung nach immer noch - überhöhten Preis verkauft wurden. Es gehört ein wenig Verhandlungsgeschick, Verzicht und Erfahrung dazu. Die Schatztruhe ist in der Tat sehr entgegenkommend gewesen und hat bei allen Volumes der Gateway! einen fairen Preis geboten. Tatsache ist, dass der angegebene Preis ein empfohlener ist - es ist, zumindest theoretisch, möglich, die CD von der Schatztruhe zu erwerben und zu einem geringeren Preis zu veräußern. Es steht auch fest, dass daran niemand Interesse haben wird. Bei Verzicht auf Werbung, Booklet und Distribution, Übernahme des Vertrieb z.B. via Internet, trägt man das Risiko alleine, so könnte die CD - über den Daumen gerechnet - nochmals im Preis halbiert werden. Das nennt man dann "unkalkulierbar" und "Non-Profit". Da ich als Zusammensteller weder Risiko trage, noch Vertrieb und Marketing betreibe, ist es nur genehm, dass die Schatztruhe als Dienstleister an der CD verdient - damit habe ich kein Problem. Jede Mark, die ich als Zusammensteller verdienen möchte, verteuert die CD für den Endverbraucher um etwa 3 bis 4 DM. Dies erklärt zum Teil den Preis des Mitbewerbs. Der erwirtschaftete Verdienst geht aber zu großen Teilen in einen direkten Support ein, den sowohl eagle als auch die neue Debian-Distribution von Schatztruhe (Holger Lubitz hat zusammengestellt) bieten (wollen). Bei Jes Søerensen kenne ich die Details nicht genauer, bei unserem Treff im Januar 98 im CERN erwähnte er sein Vorhaben, bei einem Treff im September hatte er einen Prototypen bei der Hand, die ich aber nicht genauer betrachtet habe - wir hatten andere, viel interessantere Dinge zu besprechen - HIPPI etwa :-) Doch zurück zur Schatztruhe und GTI: Keine Angst, die Auflage ist gering genug, dass sie auch einen Totalausfall tragen könnten. Der Gewinn ist nicht hoch, aber sicherlich auch nicht enttäuschend gering. Ich habe selber um eine niedrigere Auflage gebeten, um im Fall eines Falles Verbesserungen einzubauen. Die Auflage ist nicht restlos verkauft, aber es geht nur noch um ein paar Dutzend. Eine Neuauflage wird es nicht geben, NetBSD in der neuen Version steht vor der Tür. Sollte ich einen Sponsor finden, der mein Risiko als Selbstverleger deckte, dann würde ich die CD auch selber verkaufen - zum wirklich niedrigst möglichen Preis.
AG: Ist eine Amiga-Implementierung von NetBSD objektiv gesehen nicht eine überflüssige Spielerei, wenn man genau dasselbe Betriebssystem auch auf einem zum selben Preis viel leistungsfähigeren Intel-PC laufen lassen koennte ?
MI: Die Gateway!-Serie hat sich niemals als reine Amiga-CD gesehen. Im Gegenteil, dieses Mal habe ich von vornherein vorgesehen, dass man sogar vom PC aus die CD direkt booten und NetBSD installieren kann. Amiga ist für mich in der Tat nur noch einen Spielerei - mein persönlicher Amiga ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr aktiv, bzw. fungiert im schnellen Internet-Backbone meines Arbeitgebers als Tummelstelle für NetBSD/Amiga-Entwickler. Wegen der langsamen seriellen Leitung ist mein Amiga auch nicht geeignet gewesen, meine eigene Internet-Standleitung zu betreiben, da musste ein übriggebliebener 486er herhalten. Noch 1996 war ich in Toulouse und habe - wie wohl so mancher - noch eine Hochstimmung gehabt - damals hätte AI/Viscorp mich vom Fleck weg einstellen können. Heute gebe ich keinen Pfifferling auf den Amiga. Die Ideen, die ich gehört habe, die den Amiga ins nächste Jahrtausend katapultieren sollen, halte ich schon im Ansatz für unsinnig. QNX etwa - in letzter Zeit hochgekocht - ist ein hervorragendes OS für Echtzeitanwendungen in der Industrie - aber kein OS für den Tag- und Hausgebrauch. Zuviel Zeit wurde vertan, zuviel Geld in den Sand gesetzt. Nein, alles was heute noch für den Amiga gebaut und pogrammiert wird, ist nostalgischer Abklatsch. So weh das tut - ich bin selber ein Amiga-Benutzer der ersten Stunde - mein Rechnerpark hier zuhause hat derzeit mehr PowerPC und Pentium als Amiga.
AG: NetBSD selbst ist ja im Vergleich zum populären Linux ein eher unbekanntes und wenig verbreitetes Unix-Derivat. Wieso sollte man trotzdem NetBSD den Vorzug geben ? Und was hälst Du von OpenBSD und FreeBSD ?
MI: "Ist Ihnen Linux zu kommerziell?" Mit diesen Worten fängt der Klappentext eines gerade im C&L Verlag erschienenes deutschsprachiges Buch über *BSD. Das trifft meine Einstellung zu NetBSD sehr gut. Linux ist und bleibt ein Kernel. Nicht mehr und nicht weniger. Man vergleiche also am besten Redhat, Debian, Slackware, Suse mit NetBSD, FreeBSD und OpenBSD (in der Reihenfolge). Ich kenne BSD länger als es Linux überhaupt gibt. Ich habe - per Zufall wiederentdeckt - ein NetBSD-Kernel für den Amiga, bevor es überhaupt den ersten Kernel für Linux gab. Das "wenig verbreitet" ist nicht richtig, basieren doch eine ganze Reihe der kommerziellen UNIX-Varianten aus BSD-Strukturen oder haben BSD-Lizenzen integriert. Es wird kein Hehl daraus gemacht, dass *BSD das freiere UNIX ist als Linux, dem die GPL einen - der Öffentlichkeit wenig bekannten - Riegel vor der wirklichen Freiheit vorschiebt. Es wird auch keinen geben, der nicht akzeptiert, dass aus diesem Grunde niemand einen Treiber von Linux nach *BSD portieren wird (weil das nicht geht). Umgekehrt geht das.

Ich verweise für Details im übrigen auch auf meinen Artikel über *BSD in der ix, Ausgabe 10 1998, wo ich dieses Thema und ansatztweise auch meine Meinung dazu, behandle. Wichtig ist zu wissen, dass FreeBSD Intel-only ist, und sich damit erlauben kann, Intel-spezifische Optimierungen vorzunehmen, NetBSD derzeit 19 verschiedene Platformen unterstützt, sich absichtlich etwas hausbacken und konservativ gibt - dafür extrem stabil - und OpenBSD ein sich nach und nach verändernder NetBSD-Clone ist, der mehr Wert auf cool und neueste-vom-neuesten (aber oft deswegen eine Menge kaputtmacht) legt, und angibt, Sicherheit groß zu schreiben - was sowieso kein UNIX vernachlässigt.

AG: Obwohl einem die Installationsroutinen der "Gateway!"-CD-ROM viel Arbeit abnehmen, dürfte doch der durchschnittliche Amiga-Anwender mit der Einrichtung eines NetBSD-Systems überfordert sein. Ist für die Zukunft mit einer weiteren Vereinfachung der Installationsprozedur zu rechnen ?
MI: Nein, es wird nur noch wenig Energie in NetBSD/Amiga gesteckt. Tatsächlich ist die Installation für den Amiga - wenn man die Hürde mit dem Partitionieren und dem Kopieren des Installations-Filesystem gemeistert hat, eine der einfachsten NetBSD-Installationen überhaupt. Die Benutzerführung ist eleganter und hilfreicher. Ganz klar richtet sich NetBSD nicht an den Anfänger. Das ist hart und gemein, das ist ehrlich und wahr. Es wird derzeit an einem modularen Super-Duper-Toll-und-shiny Installations-Tool für NetBSD allgemein gearbeitet. Es scheitert derzeit daran, daß es einfach zu viele wenn und aber-Fälle gibt - die bei Linux nie vorkommen werden, da es eine andere (horizontal, nicht vertikal) Struktur besitzt. Übrigens: Lesen muss man die Anleitung schon. Danach geht es wirklich einfach.
AG: Ansonsten geht ja auch bei den Unix-Derivaten der Trend zu leicht bedienbaren grafischen Benutzeroberflächen - KDE sei als Stichwort genannt. Müssen die Computereliten nun auch die Vertreibung aus diesem Paradies fürchten ? Werden Linux oder NetBSD irgendwann einmal auch von Computereinsteigern verwendet werden können ?
MI: Ich hasse KDE. Es ist scheusslich, es ist ein CPU-Monster, frisst gemein viel Speicher und es ist schlichtweg unbrauchbar. Nun gut, KDE mag noch unausgereift sein, und den Ansatz vorerst nur vorzeigen, und es gibt auch andere, bessere Ansaätze, aber der Tenor bleibt. Es gab ein provokantes Vorwort in der c't zu diesem Thema, welches zu lesen sich lohnt. Die gestellte Forderung war genau diese: macht Linux und Co. benutzerfreundlicher. Sollte dies je der Fall sein, dann werden wir Abschied nehmen müssen, von allem was ein UNIX wirklich abhebt von Windows, OS/2, MacOS und Co: Multiuser-fähig. Es ist doch sicherlich ein Unding von einem Otto-Normalbenutzer zu erwarten, dass er als Superuser arbeiten soll, um Software zu installieren oder - in bestimmten Fällen, wie etwa Modem - überhaupt nutzen zu können. Ein solch abgeändertes UNIX unterscheidet sich kaum noch von einem Windows NT, und genau wie dieses zwar offiziell Multiuser-fähig sein, aber nur wenn man weiß, wie es geht, wird das "multi" auch zur selben Zeit nutzbar sein. Ansonsten ist es nur noch auf Benutzerrechte runtergebrochen. Für mich eine abscheuliche Verstümmelung von UNIX. Einen Trend voherzusehen ist schwer. Es braucht ein wenig mehr als enthusiastische Firmen wie Suse und ein paar Freaks wie Lunetix und Redhat, um UNIX und genauer: Open Source Betriebssysteme und Applikationen, für den Laien zur Verfügung zu stellen. Wir leben nicht mehr in den 80er Jahren, wo eine Firma ausreichte, um einen Trend zu bestimmen. Wer konnte den Tod von Syquest vorhersehen? IoMega hat das Feld von hinten - mit einer absolut starren und unflexiblen Lösung - aufgerollt. Wieso konnten sich Lösungen, die von wirklich offenen Ideen nur so strotzen - NeXT-Step oder BeOS - eigentlich nicht durchsetzen? Linux ist so weit verbreitet, weil das Marketing funktioniert hat. Meiner Sekretärin stelle ich es nicht hin - wer soll denn den Support machen?
AG: Jes Sørensen, den Du ja auch persönlich kennst, hat unlängst eine unoffizielle Portierung der RedHat-Linux-Distribution für den Amiga vorgestellt. Hat er Deiner Ansicht nach gute Arbeit geleistet ?
MI: Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, da ich nur einen Prototypen gesehen habe und mich seit etwa 5 Jahren nicht mehr mit Linux-Distributionen beschäftigt habe.
AG: Ist es nur ein Zufall, dass der (nun auch nicht mehr ganz so) neue Eigentümer des Amiga so heisst wie die von Dir betreute CD-ROM-Reihe ? Oder wirkt es für Dich eher wie ein Wink des Schicksals ? Hattest Du nie Sorgen, dass Dir der Hardwaregigant Gateway einmal rechtliche Schwierigkeiten ob der Namenswahl bereiten könnte ?
MI: Man beachte das "!" hinter meiner CD-ROM Serie und die "2000" hinter dem Namen der besagten Firma. Siehe übrigens auch den Verlag Heise mit der Zeitschrift "Gateway". Das Wort ist nicht mehr schützbar, bzw. hat sich jeweils etabliert. Das englische Wort "Gateway" ist sowieso nicht mehr schützbar, allenfalls Kombinationen und Stilverwendung mit anderen Zeichen. Nein, Sorgen habe ich keine, sogar einen inoffiziellen Segen. Gateway2000 als Hardwaregigant zu bezeichnen ist übrigens eine faszinierende Variante - ich sehe sie allenfalls als Mega-Schrauber - mit wenig Zukunft übrigens, wenn sie sich nicht was einfallen lassen. Umsatz allein ist kein Gewinn, und bei 4 bis 6% Marge (Branchendurchschnitt) bleibt da nicht mehr viel übrig, um mal eben eine Firma Amiga Inc. zu finanzieren.
AG: Werden auch in Zukunft weitere CD-ROMs in der "Gateway!"-Reihe erscheinen ? Wenn ja - ist schon absehbar, wann Volume 4 erhältlich sein wird, und welche Verbesserungen, ausser der neuen Version des NetBSD-Kernels, sie enthalten wird ?
MI: Ja sicher. Das Konzept steht jetzt. Da ich Distribution von NetBSD 1:1 übernehme, werden demnach alle Verbesserungen enthalten sein. Erwähnenswert ist da vielleicht POSIX, dem NetBSD in der nächsten Version (als einziges *BSD) entsprechen wird, und das neue virtuelle Speichersystem UVM, eines der leistungsfähigsten in diesem Bereich überhaupt. Ein Datum und eine Versionsnummer kann ich derzeit nicht nennen. Meine Vermutung ist Anfang 1999.
AG: Du warst ja auch an einem anderen verdienstvollen CD-ROM-Projekt stark beteiligt - den "Meeting Pearls" von Angela Schmidt. So, wie es aussieht, ist in absehbarer Zeit nicht mit einem fünften Teil dieser Serie zu rechnen. Statt dessen beherrschen die CD-ROMs vom APC&TCP und die Aminet-Serie das Geschehen. Der einst von Amiga-FD-Programmierern bekämpfte Stefan Ossowski führt einen der bedeutendsten Amiga-Software-Vertriebe. Ist die Zeit der altruistischen Amiga-Enthusiasten vorbei ? Haben die kühl rechnenden Geschäftemacher das Ruder nun fest in der Hand ?
MI: Die haben seit der ersten Aminet-CD und dem Unverstand (Unwissen) der Käufer das Ruder in der Hand. Ich bin nicht sicher, was du mit "altruistischen" meinst, aber für den Amiga habe ich auf diesem Gebiet sicherlich keine Dienste geleistet. Da ich unglücklicherweise meinen Berufsstart in die zweite heisse Phase der Amiga-CDs gelegt habe, bzw. dieser einfach dazwischen kam, blieb mir nie Zeit, diese Szene ernsthaft zu unterstützen. In einer klein gewordenen Amiga-Szene kann man nur noch kühl rechnen, sonst geht man vor die Hunde.
AG: Dein Amiga 3000 ist Deiner eigenen Aussage zufolge wohl auch Dein letzter Amiga. Welche Möglichkeiten vermisst Du an dieser Plattform ? Und welche Alternativen siehst Du für Dich - einen PowerMac ?
MI: Mein Amiga 3000 ist derzeit mein ältester Rechner in meinem Besitz. Allein daran kann man ermessen, was ihm fehlt: Alles. Schnelligkeit, Speicherkapazität, schnelles Bus-System, schnelle Grafik, sicheres Betriebssystem, usw. usf. Ich bin nicht mehr bereit, Geld in ein System ohne erkennbare Zukunft zu setzen. Das ist selbst für ein Hobby zuviel des guten. Alternativen sehe ich für mich persönlich eigentlich keine. Ich habe in meinem Rechnerfuhrpark diverse Alternativen rumstehen, darunter einen sehr guten PowerPC von Motorola (Atlas Motherboard) und einen Firepower 5400. Beide Maschinen sind in der Lage MacOS, Solaris, AIX, NetBSD und Windows NT zu fahren. Alles Betriebssysteme - mit Ausnahme von NetBSD - die für den PowerPC nicht weiterentwickelt werden. Die andere Ausnahme ist MacOS - welches aber nicht mehr lizenziert werden kann. Mit anderen Worten: Die Dinger stehen hier wertlos rum, denn Applikationen gibt es keine. NeXT-Step steht im Schrank - ebenfalls keine Applikationen. BeOS steht im Schrank - es tut sich enorm schwer. Think different ist eine schwere Sache. Das ist genauso wie mit Tastaturen. Jeder weiß, dass die QWERTZ-Tastatur zum extra-langsam-Schreiben erfunden wurde, und eine Dvorak-Tastatur das Tippen etwa drei- bis viermal beschleunigen würde. Keiner setzt das ein, weil er nicht flächendeckend auf dieses Layout zugreifen kann. Ich habe mir zwar einen Arbeitsgeber ausgesucht, der mir so ziemlich jedes erlaubt, auch und gerade am Arbeitsplatz, aber in einem Ding bin ich bisher nicht vorwärts gekommen: Firmenweit wird Lotus Notes als Applikation eingesetzt. Ein hervorragendes Tool mit edlen Raffinessen. Aber: es gibt keinen Weg um Windows, da Notes noch nicht für Linux/NetBSD portiert wurde. Fazit ist: Pentium mit NetBSD und Windows. Windows zum Arbeiten, NetBSD für den Rest. Und bevor Gerüchte aufkommen: Ich habe privat nur einen Pentium 133.
AG: Hälst Du es für einen Fehler, dass Amiga Inc. eher auf einen intel-kompatiblen Prozessor oder den nach wie vor ominösen MMC als auf bestehende PowerPC-Lösungen setzt ?
MI: Ja. Ich habe schon 1996 versucht, Motorola und Amiga Technologies zusammenzubringen. Eine Zeitlang sah es erfolgreich aus, doch dann kam das Aus durch die Escom-Pleite. In Gesprächen mit Dave Haynie, ja sogar dem Feind aller neuen Dinge, Peter Kittel, und Andy Finkel konnte ich klarstellen, dass nur eine Openfirmware-Lösung Erfolg haben könnte. Es wäre ein leichtes gewesen, AmigaOS darauf zu portieren, ich habe geschätzt, dass jemand wie Olaf Barthel, etwa zwei Wochen brauchen würde, um das Grundgerüst des AmigaOS auf OFW zu portieren, und somit einen echten Amiga auf PowerPC-Basis zu gestalten.

Zur Info: OFW wird von Apple in einer Mini-Version im PowerMac eingesetzt, von IBM in jedem AIX-PC, von Rank Xerox in jedem Kopierer, von SUN in jeder Sparc. Ich glaube, die Erwähnung der letzten Kombinationen zeigt, welche Power hinter OFW steckt. Motorola hat Amiga Inc. kostenlos mit Infos vollgestopft, Developer-Meetings abgehalten, und vieles mehr, nur um Amiga Tech. auf den richtigen Trott zu bringen. Später dann, als Carl Sassenrath und Don Dinghi von VisCorp auf den Plan traten, waren sie nach einigen Gesprächen auch nicht mehr von dieser Idee wegzubringen. Bei Amiga Inc. habe ich - ausser einem nicht sehr niveauvollen Herrn Tyschtschenko - keinen Kontakt mehr. Ich bin auch nicht mehr bereit, dafür etwas zu tun. Es gibt genau eine Sache, die einen Amiga zu einem Amiga macht: Das Betriebssystem. Alles andere - die Hardware etwa - ist ersetzbar. Es kann mir niemand ernsthaft erzählen, dass ein Copper oder eine Denise den Amiga ausmacht. Ein PC ist weder als Zwischenlösung, noch als Entwicklerplatform geeignet. Es wäre viel sinnvoller gewesen, mit erfahrenen Leuten wie Village Tronic ein komplett neues System zu bauen, das womöglich auch noch abwärtskompatibel gewesen wäre. Die Pläne liegen in den Schubladen! Das PowerUp-Konzept von Phase5 ist krank und entbehrt jeglichen Kommentars: Das ist keine Amiga-Lösung.

AG: Vor kurzem haben Amiga Inc. und QNX eine Partnerschaft für die Entwicklung der neuen Generation des AmigaOS bekanntgegeben. Was versprichst Du Dir von dieser Kooperation ? Kanntest Du QNX schon vorher - und was hälst Du von deren Betriebssystem ?
MI: Gar nichts verspreche ich mir davon. Ich kenne QNX seit etwa 1992 und habe es schon damals als extrem leistungsfähiges Echtzeitbetriebssystem schätzen gelernt. Die Zielgruppe ist eindeutig: Industrie, Anlagensteuerung und zeitkritische Prozesssteuerung. Aber auf keinen Fall Endanwender. Der Anwender im Büro braucht keinen echtzeitfähigen Rechner, sondern maximal einen - wie beim AmigaOS halt - preemptive multitasking-fähigen Rechner. Das ganze verhält sich etwa so, als würde Apple, weil es so schön ist, noch ein Microkernel unterhalb MacOS brauchen, damit man zwei Fenster gleichzeitig öffnen kann. Oder als ob man in einem Lanz Buldog einen Porsche-Motor einbaut. Nein, QNX ist nur interessant, weil es in den letzten Jahren auch auf heterogenen Plattformen läuft. Aber m.W. ist nur eine davon relevant, da die anderen ausgestorben sind, oder werden: PC. Einen Internet-Browser (Voyager, ha!) zu implementieren ist wahrlich nicht schwer, und in Zeiten von Internet allüberall ein Muß. Aber andere Office-Anwendungen kenne ich für QNX nicht.
AG: Ansonsten scheint Amiga Inc. ja ein wenig ins Schlingern geraten zu sein. Bist Du von der Entwicklung der Dinge - einschließlich der Entlassung von Fleecy Moss - seit der Pressekonferenz in London ernüchtert, hattest Du etwas ähnliches schon erwartet oder blickst Du nach wie vor eher positiv in die Zukunft ?
MI: Ich habe seit 2 Jahren keine positive Amiga-Zukunft mehr gesehen. Den Ernüchterungsprozess habe ich schon hinter mir. Er war um so schmerzvoller, da ich sehr aktiv hinter den Szenen war, dies sogar teilweise beruflich tun konnte. Aber gerade weil ich es beruflich tat, hatte ich Zugang zu Zahlen und Fakten. Und die waren extrem ernüchternd. Ehrlich gesagt ist mir die Sache mit Fleecy Moss neu gewesen, vielleicht sollte ich mal wieder ein wenig in Amiga-Foren schnüffeln. Schlingern? Die haben mir bisher noch gar kein Konzept zeigen können - da war ja Commodore besser.
AG: Wie nutzt Du Deinen Amiga ? Kommt auch die AmigaOS-Seite noch zum Einsatz oder dient er praktisch ausschliesslich als NetBSD-Workstation ? Welche Software möchtest Du den Leserinnen und Lesern ans Herz legen ?
MI: Nach meiner augescheinlichen Hasstriade in diesem Interview möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich jahrelang ein aktiver Amiga-Fan war und es auch noch bin. Aus beruflichen Gründen ist es mir im letzten Jahr nicht mehr möglich gewesen, den Amiga ernsthaft einzusetzen. Ohne eine teure Investition wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Das Geld habe ich in andere Dinge gesteckt - einen Psion5 etwa. Mein Amiga steht, wie schon erwähnt, direkt im Internet, und dient als Tummelplatz für NetBSD-Entwickler. Er wird auch maßgeblich an der nächsten NetBSD/Amiga Version mitcompilieren, vor allem an den Packages. Ans Herz legen? Software für den Amiga? Da empfehle ich einfach mal "Spaceward Ho!" - eines der besten Spiele für den Amiga.
AG: Zum Abschluss noch ein paar eher persönliche Fragen - könntest Du uns zunächst ein wenig über Dich erzählen ? Wie alt bist Du z.B., was machst Du derzeit beruflich - und wie oft hast Du schon "Das Leben des Brian" gesehen ?
MI: Den Film habe ich bisher zweimal gesehen, jeweils in einer anderen Sprache (nein, Deutsch ist nicht dabei, und ja, ich spreche die anderen Sprachen fliessend). Ich habe den Zenit bereits überschritten und werde daher allüberall "Internet-Opa" oder "Onkel UNIX" genannt. Ich habe Informatik an den Universitäten Paderborn und Bielefeld studiert, zu einem Zeitpunkt - 1987 - an dem das Internet noch aus 4800 Baud breiten Leitungen bestand und die Buchstaben "WWW" noch gänzlich unbekannt waren. Der Wechsel nach Bielefeld hat mir erlaubt, mich in einer erheblich kleineren und überschaubaren Fakultät intensiv mit den Medien Internet, Rechner-Wartung und Software-Installation zu beschäftigen. Das hat mir auch erlaubt, meinen Amiga in der Uni aufzustellen - einer der ganz ganz wenigen Amigas am Internet überhaupt damals - und somit auch an NetBSD/Amiga von der ersten Stunde an mitzumischen. Ein einschlagendes Erlebnis. Schon früh habe ich neben dem Studium gearbeitet - etwas, was ich bei der derzeitigen desolaten Lage der universitären Ausbildung jedem nur sehr sehr empfehlen kann! Natürlich sollte der Job in der Branche bleiben; bei mir war es damals die Firma Peacock, mittlerweile Peacock AG, aus Paderborn, wo ich in der Technik, Support, Hotline anfing ("Was sehen sie auf ihrem Bildschirm?" - "Nein, nicht die Blumenvase...") und in der Entwicklungsabteilung aufhörte, leider zu früh, wie ich im nachhinein merkte, weil da die richtige Boomphase der PC-Branche in Deutschland anfing. Dazwischen dann 5 Jahre Studium in Bielefeld, und von 1995 an dann wieder bei der Peacock AG, wo ich heute verantwortlicher Gruppenleiter des Teams Neue Medien (Internet halt :-) bin.
AG: Was machst Du in Deiner Freizeit - so Du denn welche hast ? Gibt es irgendwelche besonders empfehlenswerten Filme, Bücher oder CDs ? Wie gefällt Dir der Annex-Song "Back For The Future" ? Hat Tyschtschenko ihn nur zur Amiga-Hymne gemacht, um sich auf den Amiga-Messen mit den Hupfdolls der Band schmücken zu können ?
MI: Freizeit ist extrem knapp. Verwende ich zumeist zum Experimentieren mit Internet-Ideen. Meine eigene Standleitung läßt mir da viel Spielraum. Ansonst schreibe ich Artikel für diverse Magazine, NetInvestor und iX seien erwähnt, und bereite ein Buch über NetBSD vor. Ein Verlag hat Interesse bekundet. Ansonst mache ich gerne Radtouren und betreibe ab und wann Extremsport: Wandern, klettern, Mountainbike. Den Song kenne ich nicht. Tyschtschenko habe ich noch nie gemocht, seine Ideen erst recht nicht. Da war der Türstopper von Amiga Tech. schon witziger.
AG: Deine WWW-Seite firmiert unter dem Domainnamen "Core.de". Wie bist Du auf diese Bezeichnung gekommen ?
MI: Langes Suchen, Überlegen, Ausprobieren. Die Domain ist etwa 2 Jahre alt und gehört mir. Kann mir also meiner mehr streitig machen, denn der Name ist gut, nicht wahr? :-) Für jeden UNIX-Kenner ist der Bezug zu UNIX eindeutig, für jeden anderen ist es etwas aus der Physik und wer zuviel in der blauen Zone ist, denkt an schlüpfriges. Genug Platz zum Spielen und Probieren.
AG: Hast Du in diesem Jahr die Kölner Messe besucht ? Wenn ja - hat sie Deine Erwartungen erfüllen können ?
MI: Nein. Da bin ich schon letztes Jahr nicht mehr hin, und auch davor eigentlich immer nur, um Freunde zu treffen. Wir haben immer am Samstag Abend eine Art Developer-Meeting veranstaltet - OK, andere nennen es Pizza-Essen :-) Wir haben schon oft auf diesem Wege offizielle Developer-Konferenzen kippen können - bei uns war die bessere Atmosphäre und die interessanteren Leute. Irgendwo habe ich noch Fotos, echte Raritäten mit hochkarätigen Leuten, die derzeit anfangen, Karriere im Beruf zu machen - zu einer Zeit, wo der Amiga nicht mehr da ist, aber die Idee nachlebt.
AG: Du bist nicht umhin gekommen, schon früher das "Gadget" zur Kenntnis zu nehmen. Wie findest Du es ? Und haben Diskettenmagazine in den Zeiten des Internets überhaupt noch eine Daseinsberechtigung ?
MI: Ich habe immer Probleme mit der Benutzerführung gehabt, die nicht immer intuitiv bedienbar war - aber einige der Artikel habe ich damals genüsslich gelesen. Berechtigung? Sicherlich, aber vielleicht in einer neuen Form. Es bietet sich HTML an, welches überall läuft, nicht nur auf dem Amiga und nicht nur auf Diskette. Diskette hat einen Vorteil: sie ist eindeutig persönlicher.
AG: Und zum Abschluss eine vielleicht auch philosophisch gemeinte Frage: Was wünscht Du Dir und der Menschheit zu Weihnachten ?
MI: Eine schwere Frage, die zu beantworten mich ein paar Minuten gekostet hat. Es fällt mir aber nach einigem Nachdenken leicht, mich zu beschränken. Die Weihnachtsbotschaft enthält eine Idee, die wichtiger denn je ist: Frieden auf Erden.
AG: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Das "Gadget" wünscht Dir für Deine Zukunft alles Gute !
MI: Danke, auch so!

[ Das Interview führte (an) für das "AmigaGadget". ]

Zurück