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Der Champion

Mike war der unangefochtene Ultimate-Fighting-Champion. Jedenfalls würde er das nach den Weltmeisterschaften sein, die in zirka einer Woche stattfinden würden. Seine Strategie war einfach, selbst für eine Sportart, in der es im Prinzip keine Regeln gab. Er hatte spezifische anatomische Kenntnisse, wußte wo und wie man einem Gegner am effektivsten Schmerzen zufügen konnte, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Ernsthaft bedeutete in diesem Fall, ohne dass der Gegner innerhalb der nächste paar Tage starb. Was machte es schon, wenn ein paar unwichtigere Organe etwas in Mitleidenschaft gezogen wurden, und der Gegner in drei Wochen rein zufällig das Zeitliche segnete. Ihm konnte dann nichts mehr nachgewiesen werden. Im übrigen kämpfte sowieso jeder auf sein eigenes Risiko. Jeder mußte wissen was er tat, schließlich verlangte man von den Kämpfern nicht umsonst eine Unterschrift, dass man im Falle einer Verletzung keinerlei Schadenersatz bekommen würde.
Während Mikes' Überlegungen war der nächste "Sparringspartner" in den Ring gestiegen. Er war muskulös, aber nicht wie ein Boddybuilder, eher wie jemand, der schon lange irgendeine östliche Kampfsportart ausübte. Er kam mit leichten, federnden Schritten in den Ring und wartete mit unbewegtem Gesicht. Mike grinste. Diese Kerle waren ja so überheblich. Es kam wie es kommen mußte. Nach kurzer Zeit wand sich sein Gegner unter Schmerzen am Boden. Immerhin war er noch bei Bewußtsein, was nicht oft vorkam. Mike schätzte, dass dieser hier etwas länger durchhalten würde, als die anderen. Es war ja nicht so, dass er die Kampfkraft der Gegner nicht würdigte, aber leider war es eben eine Tatsache, dass ihm niemand gewachsen war.

Mike grinste in die Kamera. "Ich werde gewinnen, und die anderen sollten schon mal eine Bahre an den Ring schaffen lassen!" erwiderte er gelassen, als ihn der Reporter auf seine möglichen Chancen auf einen Titelgewinn ansprach.
Als er in den Ring stieg brüllte die aufgebrachte Menge, schließlich hatte sein Manager für eine ausgezeichnete PR-Kampagne gesorgt. Der Boden war schon über und über mit halb getrockneten Blutlachen übersäht. Der Veranstalter machte sich erst gar nicht die Mühe, hier sauberzumachen, da der Boden ja sowieso früher oder später wieder schmutzig werden würde.
Als erstes traf Mike auf einen wahren Muskelberg, der schon zwei Kämpfe gewonnen hatte, obwohl er völlig unbeweglich war. Er war gedrungen und kleiner als Mike, was die Sache noch einfacher machte. Er mußte nicht einmal unfaire Tricks anwenden.
Die Sache war ganz einfach. Insgesamt drei Kämpfe mußte er gewinnen, um Weltmeister in einer Sportart zu werden, die manche nur als Abschlachten betrachteten. Mike sah die Sache etwas anders. Es war einfach ein Duell, Mann gegen Mann, die letzte ultimative Schlacht. Dabei konnte es gar nicht ausbleiben, dass einige auf der Strecke blieben!
Der nächste Gegner war unglaublich schmalbrüstig und hochgewachsen. "Gut", dachte Mike, "dürfte kein Problem sein."
Der Gegner erwies sich aber doch als Problem. Er wich einige Male so geschickt aus, daß Mike keinen seiner gewohnten Griffe anbringen konnte. Schließlich rastete er einfach aus, packte den Gegner am Kopf und wirbelte ihn herum, bis ein leises Knacken verriet, daß es vorbei war. Er ließ den Gegner achtlos fallen. Aus den Nasenlöchern und dem Mund rann Blut in Strömen auf den verschmutzten Boden. Sanitäter, die Mike angewidert ansahen, kamen in den Ring gestürmt, um sich um den am Boden liegenden zu kümmern. Seine Wirbelsäule war gebrochen, und falls er tatsächlich durchkommen sollte, würde er nie mehr gehen können.
Mike war zufrieden, obwohl der Kampf etwas länger gedauert hatte, als es ihm lieb sein konnte. Während der kurzen Pause wurde die Menge etwas stiller, so dass Mike den Fetzen eines Gesprächs nahe des Ringes mitbekam. Eine Reporterin fragte gerade einen Mann, neben dem ein kleiner, weinender Junge saß, wie er es denn verantworten könne, seinen kleinen Sohn mit hierherzunehmen?
"Och, das ist doch halb so schlimm", gab der stolze Vater zur Antwort, "ich wollte meinem Sohn nur zeigen, was RICHTIGER Sport ist!"

Nach einer Weile wurde es plötzlich still, und Mike drehte sich um. Vor ihm stand sein letzter Gegner, ein wahrer Kämpfer, wie Mike einer war. Vollkommen durchtrainiert, ohne irgendeinen Selbstzweifel und mit dem festen Willen, zu gewinnen.
Der Ringrichter erklärte den Kampf für eröffnet und Mike wartete gar nicht erst auf die Attacke des Gegners. Er stürmte mit aller Gewalt auf ihn ein und bemerkte zu spät, dass sein Gegenüber sein Knie hob, und es ihm in den Magen rammte.
Mike taumelte rückwärts und konnte sich nicht mehr auf seinen Gegner konzentrieren. Dieser kam auf ihn zugerast, hob ihn hoch und schleuderte ihn in die entgegengesetzte Ecke. Das nächste, was Mike spürte, waren die Hände seines Gegners an seinem Hals. Mike wurde wütend. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er suchte nach dem Ringrichter, der im Rücken seines Gegners stand. Sehr gut. Wenn Mike gewinnen wollte blieb ihm nur noch eine Chance. Mit seiner linken Hand griff Mike in den Nacken des Gegners und zog dessen Gesicht noch näher an sich heran. Mit der rechten Griff er tief in dessen halbgeöffneten Mund hinein und packte zu. Etwas riß und die vor Anstrengung halbgeschlossenen Augen im Gesicht über ihm weiteten sich. Als nächstes schoß ein dicker Blutschwall über Mikes Gesicht, die ihn umklammernden Hände lösten sich und Mike rollte sich auf die Seite. Er drehte sich und sah, wie sein Gegner zuerst versuchte zu atmen, dann abwechselnd hustete und röchelte. Schließlich wurden die Atemzüge immer ruckhafter, bis sie irgendwann ganz aufhörten. Eine Frau kam von außerhalb in den Ring gestürzt, schrie und jammerte und fiel auf den leblosen Körper. "Wahrscheinlich deine Frau, du Idiot. Hättest dich halt nicht auf das Spiel einlassen sollen, wenn es dir zu hart ist!", dachte Mike. Abermals kamen einige Sanitäter in den Ring und zerrten die wie eine Furie kreischende und um sich tretende Frau davon. Ein Arzt versuchte währenddessen, den Mann wiederzubeleben, aber es war zu spät. Mike kümmerte sich nicht weiter darum sondern sah sich ungeduldig nach dem Ringsprecher um, der ihm den Weltmeistergürtel übergeben sollte. Wo steckte der Mann?
Endlich erschien er mit dem Gürtel in den zitternden Händen. Er murmelte einige Worte bis es Mike zu bunt wurde und er ihm den Gürtel wegriß. Er hob ihn über seinen Kopf. Die Menge jubelte und raste und Mike sonnte sich in seinem Ruhm.

Als er auf dem Weg zu seiner Kabine war wurde er von Reportern umlagert. "Mike, was sagen sie zum Tod ihrer beiden letzten Gegner?"
"Tja, Pech gehabt, die beiden. Hätten vielleicht bei ihrer Mama bleiben sollen.", meinte Mike mit einer wegwerfenden Handbewegung.
"Und was sagen sie zu dem Vorwurf, sie würden mit unfairen Mitteln kämpfen?" Mike fuhr herum und packte den Reporter am Kragen. "Hör zu Freundchen, noch ein Wort und ich zeig dir, was unfaire Mittel sind, klar?"
Der Reporter brachte so etwas wie ein Kopfnicken zustande und Mike ließ ihn los. "Ich bin der erste Weltmeister und nur das zählt! Wenn mir niemand eine echte Herausforderung bieten kann, bleibe ich das auch für alle Zeiten!", erklärte Mike.
Als er schließlich wieder in seiner Kabine war klopfte es. Ein kleiner Mann mit einem viel zu großen Hut kam herein.
"Ich hab sie nicht reingebeten, also verschwinden sie!" herrschte ihn Mike an. Der Mann ließ sich jedoch nicht beeindrucken sondern meinte gelassen: "Ich habe ein Angebot für sie, welches sie nicht ablehnen können."
"Ich hab schon den Weltmeistertitel, was könnte es jetzt noch geben?", murmelte Mike verdrossen. "Wie ich schon sagte, gibt es keine Herausforderung mehr der ich mich stellen müßte!
"Scheiße", murmelte Mike als ihm bewußt wurde, dass es nun nichts mehr gab, worum es sich zu kämpfen lohnte.
"Wie wäre es mit einer noch größeren Halle mit noch mehr Zuschauern, wären sie interessiert?", fragte der Mann grinsend.
"Eine größere Halle? Noch mehr Zuschauer? Wie wollen sie das anstellen? Dies war schon die größte Halle und noch mehr Ruhm kann es nicht geben." "Überlassen sie das nur mir.", meinte der Mann. "Sind wir handelseinig?" "Meinetwegen, aber ich will einen Vertrag, entsprechende Bezahlung und vor allem Gegner, die eine wirkliche Herausforderung sind", sagte Mike, nahm die Hand seines Gegenübers und schüttelte sie kräftig.
"Fein", meinte dieser, "sie werden sehen, daß ich nicht zuviel versprochen habe. Ich werde mich in drei Wochen wieder bei ihnen melden. Bis dahin: trainieren sie gut!", meinte der Mann lachend und ging.

Am nächsten Morgen begann Mike wieder mit dem Training. Er verschärfte das Tempo bei seinen Dauerläufen, er liess noch mehr Sparringspartner heranschaffen und er überbot sämtliche seiner persönlichen Rekorde. Als die drei Wochen vorüber waren, bat ihn sein Manager zu einem Gespräch. "Mike, das gefällt mir nicht. Du kennst diesen Typ überhaupt nicht. Woher weisst du, dass er dich nicht verscheißert?"
"Wenn er das tut finde ich ihn. Er weiss sicher, das ich genug Geld hab, um ihn zu kriegen. Und dann würde ich ihn so durch die Mangel drehen, dass ihn seine eigene Mutter nicht mehr erkennen würde."
"Trotzdem. Du weißt ja nicht mal, wo der Kampf stattfinden soll!" "Könnte es vielleicht sein, dass du sauer bist, weil du diesmal nichts von dem Kuchen abbekommst?", meinte Mike grinsend.
Sein Manager sagte nichts, nur sein Gesicht färbte sich tiefrot. Er war wütend. "Es reicht!" herrschte er Mike an. "Ich hab genug von dir. Ich mach mir Sorgen um dich und du wirfst mir so was vor. Geh doch zum Teufel!", herrschte er ihn an und stampfte hinaus.
Mike schüttelte verständnislos den Kopf und widmete sich wieder seinem Training, als es klopfte. "Was willst du schon wieder?", fragte er ärgerlich. "Ich wollte sie nur zu ihrem Kampf abholen", meinte der Mann mit dem viel zu großen Hut.
"Ach sie sind's. Okay, noch eine halbe Stunde, dann bin ich soweit."

Mike war beeindruckt. Nachdem sie seine Villa verlassen hatten, wurden sie mit einem Chauffeur zum Flughafen gebracht, wo ein recht kleines Flugzeug auf sie wartete. Offensichtlich hatte es einen tiefschwarzen Anstrich, so dass Mike in der Dunkelheit nicht einmal die Form erkennen konnte. Erst als er direkt davor stand, erkannte er die Treppe, die zur Bordtür führte.
"Ein kleines Zugeständnis an ihre Gewohnheiten", meinte der Hutträger kichernd und geleitete Mike an Bord. Sofort schloß sich die Kabinentür.
Im Inneren des Flugzeugs sah es aus, wie in einem Nobelhotel.
"Setzen sie sich", forderte ihn der Mann auf. "Wir werden in etwa 15 Minuten an unserem Ziel angelangt sein."
"Wo fliegen wir hin?"
"Oh, sie werden schon sehen.", meinte der Mann schmunzelnd.
Mike war etwas aufgebracht. "Ich hab genug von diesem Versteckspiel. Sie sagen mir jetzt sofort..." Er stutzte. Irgendwoher hatte der Hutträger einen kleinen Revolver hervorgeholt.
"Setzen sie sich", meinte er mit einer kalten, gefühllosen Stimme. "Dort am Tisch liegt ein Vertrag, lesen sie ihn, unterzeichnen sie ihn!"
Aber Mike wollte sich noch nicht geschlagen geben. "Was ist, wenn ich nicht unterschreibe?"
"Wissen sie wie hoch wir inzwischen fliegen?"
"Wie bitte, wir fliegen schon?", fragte Mike etwas verunsichert. "Nein, natürlich weiss ich nicht, wie hoch wir fliegen.", meinte er verwirrt. "Dann beten sie, dass sie es auch nicht rausfinden", meinte der Mann seelenruhig und setzte sich in einen Sessel, so dass Mike nichts anderes übrigblieb, es ihm gleichzutun. Er begann das vor ihm liegende Blatt durchzulesen. Es war der übliche Standardvertrag, wie ihn alle Ultimate-Fighting-Kämpfer bekamen. Eine Klausel war ihm allerdings neu. Sie lautete: "Jeder muss gegen jeden kämpfen. Derjenige hat gewonnen, der am Ende die meisten Kämpfe gewonnen hat. Nach einer Niederlage hat der Kämpfer die Pflicht, bis zum Ende der Veranstaltung, dies bedeutet, bis zum Ende des Finalkampfes als Zuschauer an der Veranstaltung teilzunehmen, auch wenn keine Chance auf einen Titelgewinn mehr besteht. Der Veranstalter sorgt gegebenenfalls für die notwendige medizinische oder anderweitig notwendige Versorgung."
Mike zuckte mit den Schultern, unterschrieb und der Mann bedeutete ihm, das Blatt auf den Tisch zu legen.

Mike war etwas verwirrt. Nach ihrer Landung, von der Mike, ebenso wie vom Start, nicht das geringste bemerkt hatte, waren sie in einer Art Hangar ausgestiegen. Der Mann hatte ihm seine Räume gezeigt und ihm gesagt, dass er in etwa eineinhalb Stunden an der Reihe sei. Nachdem der Mann gegangen war probierte Mike lustlos ein paar der Trainingsgeräte aus, die wirklich in einem hervorragenden Zustand waren. Er lauschte und glaubte, weit entfernt das Toben einer aufgebrachten Menge zu hören. Da, ein Aufschrei und plötzlich wieder Stille. Mike zog sich währenddessen um. Nach etwa fünf Minuten wurde es wieder etwas lauter und so setzte es sich fort, bis sich die Tür öffnete und der Hutträger ihn abholte.
"Sind sie fertig?", fragte er.
"Mehr als fertig. Ich bin in der Form meines Lebens!", meinte Mike überzeugt. "Sehr gut!", freute sich der Mann. "Das könnte interessant werden." Mike folgte ihm durch einen hellerleuchteten Gang bis zu einer Tür die sich automatisch öffnete. Sie traten auf eine Plattform, die völlig von Dunkelheit umgeben war. Mike trat an ein Geländer und ihm wurde schwindlig, als er weit unter sich ein hellerleuchtetes Quadrat sah.
"Wo sind wir?", fragte er.
"In der Arena. Dort wo sie schon immer sein wollten.", meinte der Hutträger. Mike sah sich verwirrt um, konnte aber außer Schwärze nichts erkennen. Als er wieder nach unten sah, bemerkte er, dass das Quadrat größer geworden war. Sie bewegten sich irgendwie darauf zu. Nach kurzer Zeit kamen sie ihm Ring an, der keinerlei sichtbare Begrenzung zu haben schien.
Der Hutträger sah Mikes verwirrten Blick und lächelte. "Versuchen sie, den Ring zu verlassen."
Mike ging an den Rand und streckte seine Hand aus. Zuerst knisterte es und als er sich noch weiter nach vorne beugte nahm das Geräusch zu. Plötzlich durchzuckte ein unglaublicher Schmerz seinen Arm. Mike zog ihn zischend zurück und ging zurück in die Ringmitte.
"Je weiter sie sich außerhalb des Ringes befinden, desto stärker wird der Schmerz", meinte der Mann grinsend.
"Bin ich der erste Kämpfer?"
"Wie kommen sie darauf?"
"Der Ring sieht so sauber aus."
"Oh, ach das. Wir reinigen ihn natürlich nach jedem Kampf. Die Sportler sollen sich ja nicht schon vor den eigentlichen Kampfhandlungen verletzen."
Mike wurde ungeduldig. "Wann fängt mein Kampf an?"
"Sehen sie sich um!", kicherte der Mann.
Mike drehte sich um und blickte in die Augen eines Monsters. Vor ihm stand etwas riesiges, schlangenähnliches mit einem nur entfernt menschenähnlichen Oberkörper, der über und über mit grünlich schimmernden Hornplatten bedeckt war. Auf der Stirn dieses Wesens wölbte sich eine der Platten zu einer Art Horn. Das Wesen schlenkerte mit seinen knapp zwei Meter langen und mit drei Gelenken versehenen Armen und betrachtete ihn auf merksam.
Als Mike sich von seinem ersten Schock erholt hatte drehte er sich nach dem Hutträger um, doch der war nirgends zu sehen. "Das soll wohl ein Scherz sein?" fragte Mike.
"Kein Scherz", ertönte eine Stimme wie ein Echo von weit oben. "Sie wollten doch härtere Gegner, und da sind sie!" Kichernd verklang die Stimme im dunkeln. In diesem Moment traf Mike etwas am Kopf und er wurde in Richtung des Ringrandes geschleudert. Er durchschlug halb die unsichtbare Barriere und der Schmerz durchzuckte seinen Kopf. Er behinderte ihn am Denken und er wäre wohl noch eine ganze Weile dort gehangen, wenn ihn nicht etwas zurückgezogen hätte. Mike wand sich hin und her. So wollte er sich nicht geschlagen geben! Trotz allen Widerstandes gelang es ihm nicht, sich loszumachen. Das Wesen drehte ihn herum, so dass es ihm in die Augen sehen konnte. Langsam näherten sich die großen, katzenartigen Augen Mikes Gesicht und ihn überkam Panik. Er überlegte nicht lange und stach mit einem Finger in das rechte Auge der Kreatur, die daraufhin zischend ihren Griff lockerte, so daß Mike sich befreien konnte. Er rannte in die andere Ecke um eine Verschnaufpause zu haben, doch dazu kam es nicht. Das Wesen war schon bei ihm und sprang ihn an. Ein Schmerz wie von tausend Nadeln durchzuckte ihn. Er blickte nach unten und sah, wie sich hunderte kleiner Krallen aus der Haut der Kreatur wölbten, sich in seine Beine fraßen und dort festklammerten. Er spürte, wie seine Beine allmählich taub wurden. Schließlich krümmte sich das Wesen und schmetterte die Hornplatte an seiner Stirn in Mikes Magen.
Ihm ging die Luft aus. Der nächste Hieb traf ihn am Kopf und er hörte ein Knirschen, als sein Wangenknochen brach. Siedendheißer Schmerz durchzuckte seine rechte Gesichtshälfte und er spürte, wie etwas warmes an seiner rechten Wange herunterlief. Er sah nur noch verschwommene Umrisse und etwas grünes, das auf ihn zukam. Es krachte, und ein ungeheurer Schmerz durchzuckte seinen Oberkörper. Bevor er das Bewußtsein verlor hörte er eine Sirene.

Mike stöhnte. Er wußte nicht, wo er war.
"Ah, sie sind wach.", hörte er die Stimme des Hutträgers. "Sehr schön!"
"Was... was ist passiert?", fragte Mike mit einer zitternden Stimme.
"Tja leider hatten sie etwas Pech. Wir konnten ihr Auge leider nicht mehr retten, es war einfach nicht genug davon übrig, um es neu zu züchten", meinte die Stimme bedauernd.
"Aber wenigstens konnten wir ihr Herz retten! Bei der letzten Attacke hatte sich eine ihrer gebrochenen Rippen in ihr Herz gebohrt, was aber leicht zu beheben war.
Übrigens haben sie noch etwas Zeit bis zu ihrem nächsten Kampf. Ruhen sie sich etwas aus."
"Der... er nächste K...ampf?", flüsterte Mike.
"Aber sicher, erinnern sie sich bitte an die Klausel in ihrem Vertrag!", mahnte die Stimme.
"Die Regeneration wird bis dahin vollendet sein. Genießen sie das Spektakel. Leider kann ich mich jetzt nicht weiter um sie kümmern, da gerade wieder einige Neuankömmlinge eingetroffen sind.
Nach einiger Zeit der Stille hob Mike den Kopf und zuckte zurück. Vor ihm war die Arena zu sehen, in der sich gerade zwei weitere Monster zerstückelten. Ein wolfsähnliches Wesen hatte gerade eines seiner sechs Beine verloren und versuchte nun, sich mit seinen zwei Stummelarmen gegen eine fledermausähnliche Kreatur zur Wehr zu setzen, die mit ihren langen Reißzähnen gerade den Oberkörper des Wesens aufriß.
Mike sah sich um. Er hing in einer Art Glaskasten und war mit allerlei transparenten Schläuchen verbunden, die irgendwelche seltsamen Flüssigkeiten in ihn hineinpumpten.
Er befand sich, wie er jetzt feststellte, gar nicht vor der Arena, sondern weit davon entfernt. Lediglich eine Art überdimensionaler Bildschirm zeigte ihm das Geschehen. Als er nach unten blickte wurde ihm wieder schwindlig, diesmal aber nicht von der Höhe. Er sah tausende von Schemen und Gestalten im Halbdunkel, die alle gespannt in Richtung des Ringes blickten, und kaum eine davon war auch nur entfernt menschlich. Als er seinen Blick zur Seite richtete sah er weitere Glaskästen in den verschiedensten Größen neben sich. Er versuchte, sie zu zählen, aber sie verloren sich im dunkeln.
"Wann bin ich wieder dran?", flüsterte er. Auf dem Bildschirm vor ihm erschienen fluoreszierende Buchstaben. Dazu erklang eine feine, weibliche Stimme, die ihm alles vorlas:

Alle Angaben sind grobe Schätzungen. Abhängig von der Länge der Kämpfe bzw. von der Meldung weiterer Kämpfer können die tatsächlichen Zeiten bis zu 30% von den Schätzungen abweichen. Die Veranstalter bitten um ihr Verständnis.

Derzeit gemeldete Kämpfer: 151.572
Voraussichtliche verbleibende Kampfzeit: 1 bis 2 Minuten.
Geschätzte verbleibende Wartezeit bis zu ihrem 2. Kampf: 1579 Tage.
Geschätzte verbleibende Wartezeit bis zu ihrem 3. Kampf: 3158 Tage.
Gesch...

In diesem Moment ertönte ein Aufschrei in der Menge unter ihm und das Geschehen im Ring wurde ihm abermals präsentiert. Das wolfartige Wesen hatte sich gerade, unter dem Verlust eines Großteils seines Oberkörpers, von der fledermaußähnlichen Kreatur getrennt und hieb nun seine Pranke an einem der Flügel entlang. Mit einem entsetzlichen Geräusch riss das lederartige Gewebe auf und ein Strom gelblich-fluoreszierender Flüssigkeit quoll aus der Wunde. Wieder ertönte die weibliche Stimme:
"Neuberechnung der zu erwartenden Kampfzeiten nötig. Bitte haben sie einen Augenblick Geduld."

Mike seufzte. Er zweifelte nicht daran, den Finalkampf, falls es tatsächlich dazu kommen sollte, zu überleben. Aber das, so vermutete er, konnte noch eine ganze Weile dauern...

(c) 1998 Stephan Hübner

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