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Soundtrack: Titanic

Plattenlabel : Sony Music Genre : Filmmusik
Spieldauer : 72:31 min Preis : ca. 30 DM

Sex sells ? Das war einmal. Seit Beginn dieser Kinosaison heißt das neue Paradigma Hollywoods: Sinking ships sell. Mit "Titanic" ist dem "Terminator"-Regisseur James Cameron nicht nur der teuerste, sondern auch der mit weitem Abstand erfolgreichste Film aller Zeiten gelungen. Zur Belohnung gab es im März dann auch noch elf der begehrten "Oscars" für das dreistündige Mammut-Epos um den Untergang des angeblich praktisch unsinkbaren Luxusliners. Und indem die Zuschauerzahlen des Filmes ins unermeßlichen Höhen kletterten, indem die Einspielergebnisse weit über die Milliardengrenze hinaus schossen, folgte eine ganze Flotte von "Titanic"-Memorabilien und -Fanartikeln im Kielwasser des Filmes. Originalfundstücke von der echten "Titanic", aber auch Nachbildungen für den Cameron-Film, wurden zu horrenden Preisen versteigert, in Sachbüchern und Fernsehreportagen wurde die Geschichte vom tragischen Scheitern der Technikgläubigkeit der Menschen wieder und wieder neu erzählt und diskutiert. Aber vor allem ein Produkt profitierte von der im Soge des Filmes grassierenden Begeisterung für den "Mythos Titanic" - der zugehörige Soundtrack von James Horner. Mühelos erklomm er den Olymp der Verkaufscharts und verwies gestandene Stars wie Madonna oder die Rolling Stones kurzerhand auf die Plätze.

Dabei mußte die "Titanic"-Filmmusik natürlich gewissen Gesetzen gehorchen. Rap- oder HipHop-Songs wären zu den Bildern des sinkenden Schiffes genauso fehl am Platze gewesen wie heulende E-Gitarren. Dementsprechend konzentrierte sich Komponist James Horner stilbewußt fast ausschließlich auf klassisch besetzte Instrumentalmusik. Lediglich für das "Love Theme from Titanic", das von der Kanadierin Celine Dion vorgeschnulzte "My Heart Will Go On", welches im Film erst während des Abspanns ertönte, wich Horner von dieser Marschroute ab. Der gesamte Soundtrack lebt von einigen stets wiederkehrenden Motiven und ihrer Variierung. Zu nennen wäre hier etwa das pathetische "Titanic"-Thema, welches immer dann zum Einsatz kommt, wenn es um das Schiff selbst geht (z.B. bei "Leaving Port"), oder das "Rose"-Thema, welches im vierten Stück in voller Länge vorgestellt wird und als musikalisches Symbol für die Protagonistin dient. Insbesondere in "My Heart Will Go On" wird es reichlich zitiert und wiederverwertet. Das ist aber nichts ungewöhnliches und paßt zum gewählten Genre. Denn gerade in Werken der klassischen Musik wurde das Fehlen des Textes durch den gezielten Einsatz von Motiven kompensiert und der Musik somit die Fähigkeit zum Erzählen einer Geschichte wiedergegeben. Und genau das tut auch der "Titanic"-Soundtrack.

Das aufklappbare Booklet der CD (deren Cover natürlich das offizielle Kinoplakat abbildet) enthält vor allem Szenenfotos des Filmes - aber auch ein dem Cameron-"Titanic"-Buch entnommenes Grußwort des Regisseurs und (erfreulicherweise) eine Trackliste mit den einzelnen Spielzeiten. Hinzu kommt der Text von "My Heart Will Go On" (welcher übrigens von Will Jennings geschrieben wurde), den man einfallsreich unter der Halterung der CD plaziert hat. Mehr kann man von Booklet eines Soundtracks nicht erwarten. Lohnt sich aber deswegen der Kauf der CD ? Wohl kaum. Es bleibt also die Frage, ob die "Titanic" auch musikalisch ein Gigant ist. Und das scheint eher fraglich. Die Musik ist zwar technisch brilliant inszeniert und auch die Orchestrierung ist - wie der Film - zweifelsohne sehr imposant. Ihr fehlt jedoch im Gegensatz zu diesem die Kraft der Bilder, die "Titanic" zu einem cineastischen Meisterwerk machte. Denn während auf der Leinwand das muntere Bedienen jedes noch so abgegriffenen Klischees von Camerons Erzählkunst und dem rasanten Tempo des Filmes überspielt wurde, fällt der Griff in die Klischeekiste beim Soundtrack umso deutlicher auf. Geigen schluchzen, ein süßlicher Klangteppich wird gewoben und wenn mal stärkere Emotionen ins Spiel kommen, dann muß einfach der Schlagwerker sein Instrument eben ein wenig fester malträtieren. Das ist künstlich, aber nicht unbedingt große Kunst. Was jedoch keinesfalls heißen soll, der "Titanic"-Soundtrack wäre nicht hörenswert. Im Gegenteil. Gerade durch den extremen Wohlklang, den er - mit Ausnahme der Stücke, die sich mit der Katastrophe beschäftigen (z.B. "Hard To Starboard", "The Sinking", "Death Of Titanic") und in denen der Komponist auch schon mal mutig ein paar Dissonanzen in die Partitur hat einfließen lassen - verbreitet, handelt es sich bei Horners Arbeit um über eine Stunde gefälliger Instrumentalmusik, die man ohne weiteres während der (Schreibtisch)Arbeit nebenher oder aber auch einfach so zum Entspannen hören kann. Insbesondere die Passagen, in denen irische und schottische Einflüsse durchklingen, haben wohltuende Wirkung auf Geist und Gemüt. Und die knackigeren Partien bieten dem Laien einen Unterhaltungsfaktor, der in etwa dem prominenter und ebenfalls bereits zu Kinoehren gekommenener Gassenhauer der E-Musik, wie z.B. Orffs "Oh Fortuna" oder Wagners "Ritt der Walküren", entspricht. Im Gegensatz zum Film (aus naheliegenden Gründen) wird es übrigens bei der Musik eine Fortsetzung geben. Dem Vernehmen nach plant Horner eine zweite "Titanic"-CD, in der u.a. auch die Motive des ursprünglichen Soundtracks wieder aufgegriffen werden. Sinking ships really sell.

(c) 1998 by Andreas Neumann


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